«Namen sind ungeschriebene Geschichte»
Auf der flachen Kuppe des Grabser Berg, im Gebiet Anggapells, auf rund 1300 m ü. M. Hinten rechts die Vorarlberger Berge, links Hoch Kasten, Stoberenfirst und Hüser.

Ausgestaltung des Oberflächenreliefs

Vorbemerkung

Der in geologisch jüngster Zeit gestaltete Lebensraum ist vor allem ein Werk glazialer und fluvialer Kräfte, also von Eisströmen und Wasserläufen. Der Rheingletscher bedeckte das Land, Moränen (gutes Weideland) und Findlinge gibt es daher bis auf 1300 m ü. M. Zwischen 20 000 und 18 000 Jahren vor heute erreichte die Eiszeit das Kältemaximum und die grösste Eisausdehnung (nach Keller 1988, 31).

Vor gut 10 000 Jahren dehnte sich der Bodensee im Alpenrheintal gegen Süden bis über den Raum Werdenbergs hinaus; der ursprünglich versumpfte Talraum war letztes Verlandungsstadium dieses Urgewässers. Die relativ leicht verwitternden Kalke ergaben das Material für die zahlreichen Schutt- und Schwemmkegel, die das Relief des alpinen Vorlandes charakterisieren.


Der Rheingletscher vor 18 000 Jahren, im Maximum der letzten Eiszeit. Seine Oberfläche lag in unserem Raum bei 1600 m ü. M. - Aus: Keller 1988, 32.

Die Gletscher als Landschaftsformer

 «Mit dem Einsetzen der Eiszeiten begann eine totale Überformung den Bergen und Tälern ein neues Gepräge zu geben. In den Vergletscherungsperioden wurden die Alpen jeweils unter einem gewaltigen Eispanzer begraben, aus dem nur noch die höchsten Gipfel und Grate von Alvier, Churfirsten und Alpstein mit über 1600 m Meereshöhe herausragten, die ihrerseits ebenfalls Gletscher trugen. Die durch die Gletscherströme verstärkte Tiefenerosion schuf die übertieften Becken im Bodensee und Rheintal, die teilweise bis unter den Meeresspiegel ausgeräumt wurden. Auch im werdenbergischen Rheintal ist die Felssohle erst in 300 bis 500 Meter Tiefe anzunehmen. Typische glaziale (von den Eisströmen geschaffene) Formen wurden vor allem in den Berggebieten herausgebildet. Die lokalen Gletscher «hobelten» in den Kammregionen bis zu kilometergrosse, halbrunde Hohlformen mit steilen Rückwänden und flacheren Muldenböden heraus, die als Kare bezeichnet werden. Am Alvier gibt es dazu klassisch gestaltete Beispiele: Malschüel [Imalschüel] zwischen Alvier und Fulfirst, Schaner Alp zwischen Alvier und Gauschla, Naus zwischen Sichelchamm und Voralpsee. In den Churfirsten sind die Karrückwände meistens nach Süden durchgebrochen, was dieser Bergkette zu ihrem eigenartigen Aussehen verholfen hat. Ein solcher Durchbruch ist etwa Garschella-Plisen zwischen Gamserrugg und Chäserrugg. In der sehr steilen Südkette des Alpsteins sind Kare seltener und kleiner. Unterhalb rund 1600 m ü. M., was ungefähr der Maximalhöhe des Rheingletschers entspricht, wurden die Abhänge vom Eis überschliffen und Felsvorsprünge zu rundlichen Kuppen umgestaltet. Diese Rundhöcker finden sich gehäuft am Seveler Berg von Refina bis Hüseren, wenige 100 Meter über dem Rheintal vom Schollberg über Wartau, Sevelen bis Werdenberg (Schlosshügel) oder zwischen Voralpsee und Wildhaus (Stein, Älpli). Dem absinkenden Rheingletscher flossen seitlich Schmelzwasserströme entlang, die Randrinnentäler in die nicht allzu steilen Berghänge der Alvier-Ostseite eingegraben haben: Oberschan, Gretschins in Wartau, Steig und Valcupp [Ifelgup] am unteren Sevelerberg. An anderen Stellen lagerten der Rhein- und die Lokalgletscher Material in Form von länglichen Hügeln als Moränenwälle ab. Besonders markant sind sie im Voralpseegebiet oder auf Palfris.» (Keller 1988, S. 31).


Späteiszeitliche Vergletscherung vor 14 500 Jahren. Der Rheingletscher erreichte nicht mehr als 1000 Höhenmeter; kleine lokale Gletscher stiessen seitlich vor. - Aus: Keller 1988, 32.

Das Wasser führt den Formungsprozess fort

«Mit dem Schwinden der Gletscher zwischen 14 000 und 10 000 Jahren vor heute übernahm das fliessende Wasser die Hauptrolle im Formungsprozess. Ausser den Aufschüttungen im Rheintal durch den Rhein und die Bäche von den Berghängen brachte dies keine grossen Veränderungen; am bedeutendsten sind die linienhaften Tobeleinschnitte der Bergbäche Simmi, Walchenbach, Studnerbach, Tobelbach und Sevelerbach. Besonders zu erwähnen sind die Massenbewegungen von Lockermaterial, von denen ausgedehnte Hangzonen des Werdenbergs betroffen sind. Bergstürze als meist einmalige, kurzfristige Grossereignisse sind mehrheitlich im Zusammenhang mit den schwindenden Eiszeitgletschern zu sehen. Beim beginnenden Abschmelzen wurden Berg- und Felshänge eisfrei und dem Spaltenfrost mit abwechslungsweisem Gefrieren und Tauen ausgesetzt. Da gleichzeitig der Eisdruck auf die Berghänge verschwand, konnten die gelockerten, entlasteten Felsmassen abstürzen. So ereigneten sich in der Späteiszeit grosse Stürze am Chapf, verantwortlich für die Entstehung des Voralpsees, und an der Gauschla-Flida ob Trübbach. Jünger ist der Bergsturz vom Stauberenfirst bei der Chelen [Chele1], dessen Schutt der Rheinebene im Schlosswald bei Salez als weitverstreutes Hügelgelände aufliegt; er hat sich vor weniger als 10 000 Jahren ereignet. Langsamer ablaufende Massenbewegungen wie Sackungen und Rutschungen sind im Bereich des Flysches zahlreich. Er ist für diese Art der Abtragung besonders prädestiniert, weil er aus wenig verfestigten Gesteinen mit vielfachem Wechsel der Gesteinsart und dünnbankigem, schiefrigem Schichtbau besteht. Buckelwiesen, kleine Tälchen, gelegentliche lokale Abrisse zeigen die Bewegungen an. Das Gebiet vom Grabser und Gamser Berg über den Saxer Berg nordwärts bis Frümsen ist von diesen Formen gekennzeichnet. Die weite Mulde im Mittelwald oberhalb Gams-Sax ist als gewaltige Rutschung entstanden, wobei die Prozesse an verschiedenen Stellen noch immer weiterwirken. Die Alpverflachungen von Gadöl [Igadeel], Obetweid bis Loch sind der (noch) stehengebliebene obere Rand der Ausbrüche.» (Keller 1988, 31f.; zum Bergsturz vom Schlosswald bei Salez siehe eingehend auch Keller 1989, 18).


Um 14 000 vor heute zog sich der Gletscher bis Sargans zurück und gab das ganze mittlere Rheintal frei, wo sich das Wasser zum Rheintal-Bodensee ansammelte. - Aus: Keller 1989,17.