«Namen sind ungeschriebene Geschichte»
Gründung des Klosters St.Gallen: Gallus und Hiltibod (Legende von Gallus und dem Bären). Ausschnitt aus einer St.Galler Handschrift um 1450. - In: Die Geschichte des Kantons Zürich Bd. 1, Werd Verlag, Zürich 1995. Public Domain.

Alamannischer Vorstoss

Auch das mächtige Alamannenvolk war nun daran, sich zum Christentum zu bekehren, und seine ungebändigte Kraft war mit der Rodung weitläufiger Waldgebiete der heutigen deutschen Schweiz und Vorarlbergs intensiv beschäftigt. Dennoch flamm­te der Gegensatz zwischen den «Churwalchen» Rätiens und den Alamannen nochmals heftig auf. Es kam zu gewalttätigen Einbrüchen alamannischer Scharen; Arbon und Konstanz wurden verwüstet. Die überfallenen christlichen Arboner hatten einen Teil ihrer wertvollsten Habe zur Galluszelle geflüchtet und dort vergraben. Der alamannische Anführer Erchanold, dem das Versteck hinterbracht worden war, wühlte den Boden im Bethaus auf, wo sie bis zum Sarg des hl. Gallus vorstiessen.

Nach der (lateinisch geschriebenen) Gallusvita des Mönchs Wetti soll dabei Erchanold einen Ausruf getan haben, der uns den Beweis dafür liefert, dass die damaligen Bewohner Arbons noch Romanen waren: «Isti Romani ingeniosi sunt, ideo sub loculum bona sua absconderunt!» (d. h. «Diese Romanen sind schlau; sie verstecken ihre Habe daher im Sarg!»).

Damit ist nun ein völkischer Gegensatz zwischen Romanen und «Barbaren» (Alamannen) ins Blickfeld gerückt, der zunächst noch recht gewalttätige Züge trug und der sich auch in der rechtlich stark voneinander abweichenden Stellung des rätischen (romanischen) und des alamannischen Volkes äusserte. In politischer und dann vor allem auch in sprachlicher Hinsicht verkörpert er eine Auseinandersetzung, die dem Rheintal für die folgenden Jahrhunderte ihr unverkennbares Gepräge gab.

Der Mangel an Inschriften verdeckt nun aber den Fortgang dieser Berührung und des daraus hervorgehenden Sprachwechsels weitgehend, und wir sind hier in hohem Masse auf indirekte Schlüsse angewiesen. In Liechtenstein legten die eingewanderten Alamannen im 6. bis 8. Jh. in Eschen, Schaan und Balzers Gräberfelder an; ihre Siedlungen sind allerdings nicht bekannt. Kirchengrabungen in Schaan, Eschen, Bendern und Mauren belegen, dass sich die christliche Tradition aus der römischen Zeit ins frühe Mittelalter herüberrettete.