Hier ist auf die Frage einzugehen, aus welchen Quellen die Materialien zu beziehen seien, die eine systematische Erforschung der Personennamen gestatten. Für den Aufbau einer umfassenden Personennamensammlung sind im wesentlichen folgende Arbeitsetappen zu berücksichtigen:
1. Erhebung sämtlicher heute gebräuchlicher Personennamen in einem umschriebenen Gebiet - im Prinzip also nicht nur der Familiennamen, sondern ebenso der Vor- und Übernamen, wobei für Familien- und Vornamen die amtlichen Verzeichnisse durchgearbeitet werden müssen, während für Ruf- und Sippschaftsnamen eine eingehende mündliche Felderhebung unentbehrlich ist.
2. Um auch der nur historisch bezeugten Namenformen habhaft zu werden, müssen in einer weiteren Arbeitsetappe die einschlägigen Urkundenbücher sowie die originalen Archivbestände, Gemeindearchive (Güterverzeichnisse, Urbare, Zinsrödel usw.), Kirchenbücher (Tauf-, Ehe- und Sterberegister) durchgearbeitet werden. Wo immer möglich, sollte diese Etappe gekoppelt werden mit den entsprechenden Arbeiten an einem Ortsnamenbuch; zum einen aus arbeitsökonomischen Gründen, weiter aber auch wegen der engen strukturellen Verflechtungen zwischen Personennamen und Ortsnamen: Sind doch in zahllosen Geländenamen Personennamen mitenthalten, die sonst teils nicht mehr bezeugt sind. Spätestens seit dem Erscheinen des Rätischen Namenbuches, Band 2 (Etymologien der Ortsnamen; Bern 1964) von Andrea Schorta wissen wir schliesslich, welch hoher Stellenwert den Personennamen bei der Bildung von Orts- und Geländenamen zukommt. Allein aus Grabs lässt sich eine ganze Reihe von Familiennamen aufzählen, die – als solche ausgestorben – wenigstens noch in Ortsbezeichnungen weiterhin ein mehr oder weniger entstelltes Dasein fristen: So lebt im Weilernamen Dorfengraben (urk. †Gorfengraben) der romanische Personenname Gorf (aus rom. corv ‘Rabe’) weiter, und im Namen des Weilers Leversberg steckt der romanische Familienname Liver. Ebenso am Grabser Berg liegt der Weiler Muntlerentsch, in dessen Namen (in Verbindung mit romanisch munt ‘Berggut’) der Personenname Lurench ‘Lorenz’ verborgen liegt. Ähnliche Beispiele liessen sich dutzendweise auch aus anderen Gemeinden beibringen.
3. Schliesslich ist hier auch die gesamte bestehende namenkundliche Literatur zu verwerten – auch wenn diese nicht überall den geforderten strengen Qualitätsmassstäben standhält. Es ist an sich erfreulich, dass das Feld der Namendeutung immer wieder weite Bevölkerungskreise anzieht. Daneben aber hat dieses besondere Interesse auch zur Folge, dass sich die Namenforschung in besonderer Weise als Tummelplatz von Hobbyforschern erweist, die zwar auf dem Gebiet der Familienforschung viel Beständiges zustande bringen, denen es aber umgekehrt im Bereich der Namendeutung – die nur zu oft sehr verwickelt ist und ein grosses sprachwissenschaftliches Fachwissen voraussetzt – oft nicht gelingen kann, über dilettantische Versuche hinauszukommen, da ihnen der notwendige Überblick über die grossen kulturgeschichtlichen Zusammenhänge und über die sprachgeschichtlichen Entwicklungen in den berührten Sprachschichten begreiflicherweise abgeht.
Im Jahr 1986 hat der Zürcher Romanistikprofessor Konrad Huber den zuvor während Jahrzehnten in Bearbeitung befindlichen dritten Band des Rätischen Namenbuches zu den Personennamen Graubündens (und dessen Vorlandes) zum Abschluss gebracht (RN 3). Mit dem Erscheinen dieses Monumentalwerks ist die Personennamenforschung in Bünden nun auf jenen hohen Stand gebracht worden, der das Alpenland an Rhein und Inn im Bereich der Ortsnamenforschung schon länger hervorhob und der untrennbar mit dem Namen des hochverdienten Sprach- und Namenforschers Dr. Andrea Schorta verbunden ist.
In Unterrätien, dem seit der Feudalepoche verdeutschten und politisch zersplitterten nördlichen Vorland Graubündens, stellt sich die Sache weiterhin weniger günstig dar.
In Liechtenstein wurde auf Initiative und unter der Leitung von Hans Stricker (als zweiter Werkteil des Liechtensteiner Namenbuches) zwischen 2003 und 2008 die Ordnung und Deutung der Personennamen des Fürstentums Liechtenstein bewältigt (erschienen in vier Bänden in Vaduz 2008: vgl. FLNB II). Unpubliziert blieben dabei aus persönlichkeitsschutzrechtlichen Gründen die Darstellung der Rufnamen (Daktyloskript 620 Seiten) sowie der Sippschaftsnamen des Landes (Daktyloskript 145 Seiten).
Im Kanton St.Gallen und auch in Vorarlberg ist auf diesem Feld ein umfassendes Projekt unseres Wissens nicht in Sicht; eine der Erforschung der Ortsnamen entsprechende Erfassung auch der Personennamen steht weiterhin aus.
Mit Blick auf Vorarlberg ist allerdings anzumerken, dass die im Vorarlberger Flurnamenbuch enthaltenen Urkundenauszüge eine grosse Menge von hoch willkommenen Personennamen-Nennungen enthalten.
Einiger gewichtiger Einzelarbeiten ist aber zu gedenken, die den Familiennamen des St.Galler Oberlandes und auch Liechtensteins gewidmet sind; allen voran das Büchlein von Franz Perret zu den Geschlechtern der Landschaften Sargans und Werdenberg (Perret 1950). Auch die Sammlung liechtensteinischer Familiennamen von Joseph Ospelt (Ospelt 1939) lag schon länger vor. Während letzterer sich auf eine reine Namensammlung beschränkt und auf Deutungen weitgehend – und bei den vordeutschen Formen gänzlich – verzichtet, enthält Perrets umfangreichere Arbeit leider keine Quellenangaben, dafür wieder eine Menge etymologischer Thesen, die allerdings in vielen Fällen einer seriösen sprachwissenschaftlichen Begutachtung nicht standhalten.
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